Viele Menschen stellen sich ihre eigene Schulzeit vor und fragen sich dann, wie Inklusion funktionieren kann. Antwort: Vergessen Sie den Unterricht, den sie aus ihrer Schulzeit kennen. Vergessen Sie den langwierigen Frontalunterricht, vergessen Sie das Sitzen in einer Reihe und den Blick nach vorn zum einzigen Erwachsenen im Raum und vergessen Sie, dass Sie und ihre unterschiedlichen Klassenkammeraden zur gleichen Zeit, das gleiche Arbeitsblatt mit den gleichen Aufgaben bearbeiten. Inklusiver Unterricht funktioniert anders (siehe auch hier). Deshalb werden unten Videos gezeigt, die inklusiven Unterricht eindrücklich veranschaulichen.
Inklusiver Unterricht kann heissen, dass mehrere Erwachsene in einer Klasse sind, zum Beispiel Lehrer und Schulassistenten (bzw. Schulhelfer, Integrationshelfer). Oder ein Sonderpädagogen und eine “Regelpädagogin” unterrichten im Team-Teaching-Prozess. Beide Lehrer fühlen sich für alle Kinder verantwortlich. Dabei lernen die Erwachsenen ebenso voneinander: Der Sonderpädagoge zeigt seiner Kollegin, wie Arbeitsblätter gestaltet werden müssen, damit auch das bspw. sehbehinderte Kind die Aufgabe gut verstehen kann. Beide fördern inklusive Prozesse in der Klasse und sind für alle Kinder ansprechbar. Inklusive Klassen sind im besten Falle auch kleiner. Wie groß eine Klasse ist und wie oft es eine zusätzliche Lehrkraft braucht, sollte von den Bedarfen der Kinder abhängig sein – nicht von schulpolitischen Sparkursen (siehe auch hier).
Auch die Räume und Materialien sollten so gestaltet sein, dass alle Kinder gut lernen können. Zieldifferenter Unterricht heisst, dass die Kinder unterschiedliche Lernziele haben. Methoden der inklusiven Didaktik ermöglichen individuelles Lernen. Die Kinder arbeiten zum Beispiel nach einem eigenen Tagesplan und suchen sich selbständig die Aufgaben heraus, mit denen sie beginnen wollen (mehr zur inklusiven Didaktik: siehe hier).
Das Thema Noten ist umstritten – ob inklusiv beschult oder nicht. Ein Unterricht ohne Noten, dafür mit individuellen Beurteilungen und Lernzielkontrollen kann gerade in inklusiven Klassen effektiver sein, als das Wissen eines Kindes, dass es eine bessere Note hat als Tischnachbar xy. Zudem kann der/die Schüler/in mehr damit anfangen, wenn er/sie weiss wie er/sie sich im letzten halben Jahr entiwcklet hat, welche Fortschritte erzielt wurden und wo noch mehr Übung notwendig ist. Der Kinderarzt und Auto Remo Largo hält nicht viel von Beurteilungen:
“Johne Hatties Metaanalyse von Tausenden Studien, an denen 230 Millionen Kinder teilnahmen, hat gezeigt: Prüfungsnoten bringen nichts. Eine kindgerechte Pädagogik holt die Kinder dort ab, wo sie entwicklungsmässig stehen. In der ersten Klasse variiert der Entwicklungsstand der Kinder zwischen 5,5 und 8,5 Jahren, mit 13 Jahren zwischen 10 und 16 Jahren. Wie sollen da Noten den Kindern gerecht werden? Haben wir Erwachsenen die Umgebung des Kindes so gestaltet, dass es die notwendigen entwicklungsspezifischen Erfahrungen machen kann? Wiederum sollten wir nicht das Kind, sondern uns selbst hinterfragen! Wenn das der Fall ist, wird sich das Kind aus sich heraus entwickeln. Das macht es nämlich seit mehr als 200’000 Jahren.” Remo Largo: Das Kind ist doch keine Knetmasse – Remo Largo zum Basler Schulsystem, 2017).
Eindrücklich zeigen die folgenden Videobeiträge, wie inklusives Lernen im In- und Ausland funktioniert. Denn ein Blick ins Klassenzimmer sagt manchmal mehr als ein beschreibender Text:
Die staatliche Modellschule “Kinderschule” (Gewinner des Jakob-Muth-Preises 2015) in Bremen zeigt, wie Unterricht in heterogenen Gruppen funktioniert:
In diesem Video geht es um Melanie, ein Mädchen mit “schwerer Mehrfachbehinderung” die in Rheinland-Pfalz in eine allgemeine Schule ging (Erscheinungsjahr: 1996).
Die Ernst-Moritz-Arndt-Grundschule Espelkamp hat den Jakob-Muth-Preis 2015 für ihr Engagement in der inklusiven Bildung bekommen:
Auch die Waldorfschule Emmendingen (Jakob Muth-Preis 2015 ) ist eine Schule für alle:
Dieses Video zeigt die Schülerin Tana Vogele mit ihren Mitschülern/Mitschülerinnen im Gemeinsamen Unterricht. Die Schülerin Tana mit kröperlicher und kognitiver Behinderung spielt und lernt seit dem Kindergarten inklusiv.
Über den Tellerrand geschaut: Inklusion in anderen Ländern
Including Isaac. Dieses Video zeigt, wie eine christliche Privatschule (Network/Kala) in den USA Inklusion umsetzt und welche Schritte wichtig sind, um Isaac eine gleichberechtigte Teilahbe zu ermöglichen.
Damian’s Inclusion Project. So lernen Damian und seine Mitschüler in Georgia (USA):
Auch an der Maple Wood Elementary School in Somersworth lernt die 8-jährige Thaysa gemeinsam mit nichtbehinderten und anderen behinderten Kindern.
In Somersworth in New Hampshire besucht der 11-jährige Axel, Autist, gemeinsam mit Nachbarskindern die örtliche Grundschule.
Inklusion an der Mission Hill School in Boston:
In der kanadischen Provinz Alberta wird Inklusion auf alle Vielfaltsaspekte bezogen und eine Willkommenskultur gepflegt.
Und noch ein Beispiel aus dem Inklusionsland Kanada (Alberta):
Weiterführende Links:
Auf Inklunet.de gibt es einen Didaktikpool. Dort kann man sich über didaktische Unterrichtsprojekte, -skizzen und -entwürfe der integrativen Schulpraxis informieren und etwas über Ideen, Projekte, Unterrichtsskizzen, didaktisch-methodische Überlegungen, Materialien oder Unterrichtssequenzen erfahren.
Ein Kommentar
[…] „Ich kann mir das gar nicht vorstellen…wie geht denn inklusiver Unterricht?“ […]