“Sonja – Du störst !”

Irgendwo in Deutschland: Suspendierung, Hausunterricht, keine Betreuung im Hort, weil das Kind zu „schwierig“ sei und Personal fehlt – viel zu häufig werden Kinder, die ohnehin schon Schwierigkeiten haben, ausgeschlossen. Sonja ist eine von ihnen. Der Hort der Schule weigert sich das Kind zu betreuen. Die Schule will Sonja nicht länger bei sich haben. Neben dem Gefühl „nicht-dazu-zu-gehören“ ist eine ganze Familie von Armut bedroht.

Sonja ist oft unter Spannung. Sie hat Schwierigkeiten Impulse zu kontrollieren. Die vielen Reize in Kindergruppen überfordern sie. Wenn es dann laut und stressig wird, weiß sie manchmal keinen anderen Weg als zu schlagen – besonders am frühen Nachmittag, wenn sie schon eine ganze Weile aufpassen, zuhören, sich zusammenreißen muss. Sie kann in dem Moment nicht anders. Könnte sie es, würde sie es nicht tun.

Schon im Kindergarten fiel dieses Verhalten auf. Sonja bekam einen Integrationsstatus und die Kita mehr Erzieher*innenstunden für Sonja. Wenn Sonja unruhig wurde, ging die Erzieherin mit ihr nach draußen, unterstützte Sonja, gab ihr das Gefühl der Anerkennung. Das Kind beruhigte sich und entwickelte sich gut. Um einen guten Übergang zur Schule zu gestalten, sprachen Sonjas Erzieherinnen mit der Grundschule. Sie sollte auch in den Hort gehen, dort zu Mittag essen und den frühen Nachmittag verbringen, so wie die anderen Kinder. Doch es kam anders.

In der Schule verstärkt sich das Hauen und Treten. Die Gewaltvorfälle (mit Würgen und Faustschlägen) ereignen sich immer auf dem Schulhof in den Pausen oder beim Turnen – immer dann, wenn es unruhiger um Sonja herum wird und sie Ablehnung und Frust nicht regulieren kann. Obwohl genau diese Situationen bekannt sind, findet keine 1:1-Betreuung (und auch Überwachung zum Schutz der anderen Kinder) statt. Dadurch wiederholen sich Gewaltmeldungen und Suspendierungen nach dem gleichen Muster – mit der Folge, dass die Sorge und Wut anderer Eltern wächst und es zu Konflikten kommt. Gerade wenn Sonja stark unter Stress steht und sich in die Ecke gedrängt fühlt, weiß sie sich nicht anders zu helfen. Sie tritt eine Erzieherin. Sie würgt ein anderes Kind. Sie schlägt mit der Faust. Die Möglichkeiten sich zurückzuziehen werden an der Schule weniger. Sonja hat einen sonderpädagogischen Förderbedarf im Bereich emotionale-soziale Entwicklung.

Schon nach kurzer Zeit an der Grundschule weigert sich der Hort Sonja zu betreuen. In die Schule darf sie gehen. Dort wird eine temporäre Lerngruppe/Kleinstklasse über die Jugendhilfe eingerichtet. In dieser kleinen Gruppe, die von einer Lehrerin mit einer Sozialarbeiterin geleitet wird, geht Sonja zwei Stunden am Tag. Den Rest verbringt sie in ihrer Klasse. Nach der zweiten Klasse wird die Maßnahme beendet. Das ist immer so. Mit dem Auslaufen der Kleinstklasse will die Schule Sonja nicht mehr behalten. Die Direktorin spricht von Hausunterricht. Schon zwei Mal hat die Sozialarbeiterin gewechselt. Mit der ersten verstand sich Sonja sehr gut. Nach den Wechseln verstärkte sich das agressive Verhalten. Wenn die Kinder nach dem Unterricht in den Hort gehen, darf Sonja nicht mit, obwohl die Eltern ein Vollzeitmodul gebucht haben. Der Vater muss Sonja gegen 13 Uhr abholen. An eine Weiterbeschäftigung als Handwerker ist so nicht zu denken.

Sonja hat für den Hort einen wesentlich erhöhten Betreuungsbedarf. Trotzdem sagt die Schule, dass es keine ausreichende Betreuung für sie gäbe, sie nicht tragbar sei. Außerdem sei Sonja im Hort überfordert.

Das Unterstützungszentrum im Stadtteil sagt, es gibt nur ein bestimmtes Budget für Schulhelfer*innen-Stunden. Das brauchen andere Kinder dringender als Sonja. Die Bildungsverwaltung der Stadt sagt, das stimmt nicht. Das Unterstützungszentrum könnte bei der Stadt mehr beantragen. Das Unterstützungszentrum sagt: Das stimmt nicht. Eine Vorschrift müsste geändert werden. Sonjas Eltern wissen davon nichts. Sie wissen nur, dass ihr Kind nach der Schule oft verstört ist und es in den Ferien ohne Schule auftankt und leicht und unbeschwert wirkt.

Tatsächlich gibt es auch bei dem Förderbedarf emotionale-soziale Entwicklung nur in absoluten Ausnahmefällen Schulhelfer*innenstunden. Zudem sind Schulhelfer*innen oft Student*innen, kaum ein anderer macht sonst diesen unterbezahlten Job. Auch die Sonderpädagogikstunden sind knapp bemessen. Es gibt einen Pool, der für die Kinder mit dem Förderbedarf Lernen, Sprache und emotionale-Soziale Entwicklung reichen muss.

Ein Kind lehnt an einem Zaun.

Mittlerweile ist Sonja im zweiten Schuljahr. Das Arbeitslosengeld 1 des Vaters ist ausgelaufen, der Vater ist in psychiatrischer Behandlung. Es gab und gibt viele Konflikte mit der Schule, der Direktorin und anderen Eltern. Der Vater wird von anderen Eltern beschimpft. Auch das Verhältnis zur Direktorin ist zerrüttet. Ein Elternteil der Schule hat Sonja bei der Polizei angezeigt – wegen Körperverletzung. Die Anzeige wurde natürlich fallen gelassen – Sonja ist 8 Jahre alt. Die Direktorin sieht keine Zukunft für Sonja an ihrer Schule – eine Schule mit dem Schwerpunkt Inklusion. Die umliegenden Grundschulen verweisen auf diese Schule und wollen Sonja nicht. Einzig eine Förderschule mit dem Förderschwerpunkt Lernen wäre bereit Sonja aufzunehmen. Eine Umwidmung des Förderstatus emotionale-soziale Entwicklung in Lernen wurde vorgenommen. Damit hat Sonja keinen Anspruch auf Schulhelfer*innen-Stunden, die sie vorher ohnehin nicht bekam. Zudem wäre ein*e Schulhelfer*in als ungelernte Kraft wahrscheinlich überfordert.

Warum Sonja in der Hofpause und beim Turnen, immer dann, wenn sie überfordert ist, keine permanente 1:1-Betreuung bekommt, widerspricht dem Recht auf inklusive Beschulung und angemessende Untersützung (Artikel 24, UN-Behindertenrechtskonvention). Die Verantwortung liegt in der Politik. Es kommt zu über drei Suspendierungen (a 10 Tage) wegen Gewaltvorfällen und  5 Gewaltmeldungen. Jedes Mal war Sonja ohne Erwachsenen, der/die an Sonja „klebt“ und sofort einschreiten kann, in der Hofpause. Die Direktorin will nicht mehr. Sie spricht mit dem Jugendamt. Sonja soll nachmittags in eine Tagesgruppe und nicht in den Hort. Eine Betreuung Sonjas im Hort ihrer Schule käme nicht in Frage. Die Mitarbeiterin des Jugendamtes sieht überhaupt keinen Bedarf für eine Tagesgruppe (teilstationär). Das Kind ist gut zu Hause aufgehoben und eine Fremdbetreuung bis zum Abend nicht förderlich. Die Direktorin solle Sonja in den Hort lassen. Die Eltern wollen auch keine Tagesgruppe, aber sie wurden gar nicht erst gefragt bzw. wurde ihnen diese Maßnahme nicht erklärt.

In der Schule bräuchte es eine Aufsichtsperson, die Sonja nicht von der Seite weicht und sofort einschreiten kann, sollte Sonja einen Kontrollverlust bekommen. Gleichzeitig braucht es pädagogische und/oder therapeutische Hilfestellung, um Starteigen und alternative Handlungsweisen (auf den Boden stampfen, ins Kissen hauen) zu erlernen. Hier reicht eine allgemeine Aufsicht auf dem Schulhof nicht aus. Eine Betreuungsperson könnte mit Sonja auch gezielt andere Ort aufsuchen, sollte es zur Reizüberflutung, Anspannung und Aggressionen kommen (bspw. vom lauten Schulhof in die Bücherei). An einer Förderschule wären die anderen Kinder ebenso schutzbedürftig und Sonja ebenso betreuungsbedürftig. Doch jede Betreuung wäre nutzlos, wenn die Betreuungsperson es nicht schafft eine Bindung zu Sonja aufzubauen, das Kind zu mögen und ihm immer wieder das Gefühl zu geben „du gehörst zu uns, egal wie du dich aufführst, du bleibst Mitglied dieser Schule. Du bist uns wichtig.“

Die Eltern haben einen guten Kontakt zum örtlichen Jugendamt, das die Familie mit einer Einzelfallhile am Nachmittag unterstützt. Die Mutter ist diejenige, die das Geld verdient. Der Vater ist seit dem Ende des ersten Schuljahres zweimal in der Woche bei einem Therapeuten und nimmt Medikamente gegen Depressionen. Er sagt, dass ihm die Kämpfe mit der Schule fertig gemacht haben. Inzwischen kommuniziert nur noch die Mutter, die noch letzte Kraftreserven hat, mit der Schule und geht gemeinsam mit dem Einzelfallhelfer in die Gespräche und Konferenzen. Dem Vater sei das nicht mehr zuzumuten. Er weinte oft nach den Gesprächen mit der Schule, die so übermächtigt auf ihn wirkt und ihm vermittelt: „Dein Kind ist falsch – du bist falsch – deine Frau ist falsch. Mit euch stimmt doch was nicht.“ Und es gibt noch die kleine Evi. Sonjas jüngere Schwester geht noch in die Kita. Evi und Sonja spielen trotz des Altersunterschiedes viel miteinander. Gegenüber Evi zeigt Sonja kaum aggressives Verhalten.

Anstatt alles in die Wege zu leiten, um sich von einem Kind wie Sonja zu trennen, es an eine Förderschule zu überweisen, könnte die Schule versuchen ihren Blickwinkel zu ändern und gleichzeitig ein Mandat an die Bildungsverwaltung artikulieren:

„Da ist ein Kind, auf das wir besonders Acht geben müssen. Ein Kind, das andere verletzen kann, ein Kind, für das wir Personal bereitstellen müssen und vielleicht auch ein Kind, das uns Angst macht, ein Kind, das unser pädagogisches Konzept mit seinem Verhalten in Frage stellt, ein Kind, das uns so sehr fordert, dass wir mit dem bisherigen Alltag nicht weiter machen können, ein Kind, das uns wütend macht. Deshalb reflektieren wir unsere Haltung, unser Handeln, wir holen uns Unterstützung. Sonja gehört zu uns und wir brauchen mehr Hilfspersonal.“

Es gibt ein Supervisionsangebot, aber wann sollen die Lehrer*innen das wahrnehmen, fragen die Lehrer*innen? In der Stadt herrscht akuter Lehrer*innenmangel, für Supervision würden sie nicht frei gestellt. Zuständig für Supervision ist das Unterstützungszentrum des Stadtteils, doch dort hat nur ein Mitarbeiter eine Supervisionsausbildung und er hat alle Hände mit der Diagnostik zu tun.

Sonja macht wütend, das kann sie gut. Doch anstatt dieses Gefühl als das zu sehen, was es ist, eine Gegenübertragung, die wir als diagnostisches Instrument nutzen können, um herauszufinden, wozu Sonja dieses Gefühle bei uns auslöst, wird sie weggeschickt. Anstatt zu gucken wie wir kleine Veränderungen vornehmen können, wie wir unseren Blick auch auf die Stärken legen können, wie wir uns selber als Team gut unterstützen können, wird auf Sonja gezeigt. Sie steht für den Übeltäter im System, die Täterin, die anderen Kinder mit der Faust ins Gesicht schlägt.

Auch die Helfer*innen sind hilflos. Sie zeigen hilfloses Verhalten, indem sie Sonja wegschicken wollen. Ihnen fehlen Ressourcen. Ihnen fehlt ebenfalls professionelle Hilfe.

Die Familie überlegt: wohin mit Sonja und Sonja spürt, dass sie stört, dass es Probleme gibt, dass ihr Vater verzweifelt ist, dass Marcel und Aysa in den Hort gehen und sie nicht, dass die Eltern sich Hilfe holen und wieder verzweifeln. Das macht Sonja noch wütender, noch verletzter, noch frustrierter. Anerkennung bleibt auf der Strecke. Sonja spürt den Aufruhr: „Ihr sagt ich bin schwierig und gestört? Dann zeige ich es euch auch.“

Die Eltern gehen in eine Klinik. Sonja bekommt nun Medikamente. Was „hyperkinetisches“ hat eine Ärztin festgestellt. Sonja ist ruhiger. Am Nachmittag ist sie schlapp – eine Nebenwirkung.

Die „Lernbehindertenschule“ hält Sonja die Arme auf. Gerne darf sie kommen. An der “Lernbehindertenschule” gäbe es einige Kinder wie Sonja. Dass der IQ der Kinder an diesen Schulen sinkt, von der Gesellschaft abgehängt und stigmatisiert werden, dass ihr Selbstkonzept leidet, dass diese Schule eine Schule für Arme ist, ein Sammelbecken, sagen sie nicht. Die Eltern wollten für ihr Kind eine inklusive Beschulung, die Chance auf einen Schulabschluss. Gerade wollen sie jedoch nur weg von der Grundschule, der Direktorin, den vielen Konflikten.

Die Botschaft „du störst“ sitzt tief. Wie oft bekomme ich solche Nachrichten? Wie oft wird das Kind zum Problem erklärt, müssen sich Eltern rechtfertigen, kämpfen oder ihren Job aufgeben? Das System lässt Familien in Stich und versucht diejenigen wegzuschicken, die am dringendsten Unterstützung brauchen. Und die schlimme und folgenschwere Botschaft für das Kind „wir wollen dich hier nicht“ wirkt lang – mit schädlichen Nebenwirkungen für das Selbstbewusstsein und die Bildungsbiographie.

Gewalt ist schlimm, Faustschläge, Würgen – all das ist verletzt Menschen, Kinder teilweise sogar schwer. Doch Kinder wie Sonja wie Wanderpokale durch das System von Schule zu Schule, von Projekt zu Projekt zu reichen, schädigt nicht nur die Identität der Kinder, sondern unsere gesamte Gesellschaft. Was wird aus ausgestoßenen Kindern? Welche Botschaft senden wir unseren Kindern, wenn andere Kinder, die Schwierigkeiten mit der Welt haben (und die Welt mit ihnen) weggeschickt werden, die Schule verlassen müssen? Eine Furcht vor Schwierigkeiten? Eine Angst davor weggeschickt zu werden, wenn ich nicht angepasst genug bin? Die Vermutung, dass die Erwachsenen nicht in der Lage sind Konflikte zu lösen, Sonja Halt zu geben und uns zu schützen?

Sonjas Situation, die Situation der Schule machen klar, dass die Bedürfnisse von vielen Beteiligten nicht gesehen werden. Sie müssen noch nicht mal unbedingt alle erfüllt werden, manchmal reicht es schon aus, wenn sie gesehen werden. Wenn ein empathischer Zugang, ein Miteinander, ein Wir-Gefühl vorhanden sind, wenn die Fachkräfte der Schule sich als Team fühlen, das auch von außen untersützt wird und Anerkennung für die anstrengende Arbeit bekommt, wenn eine Bildungsverwaltung fragt: “Was brauchst du Schule, damit Sonja gut bei euch sein kann?”, dann wären wir ein Stück weiter.

Das Kind hat niemals Schuld. Sonja hat das Recht auf inklusive Beschulung und das Recht auf ausreichend Unterstützung. Und wenn ausschließlich eine liebevolle und hochprofesionelle Fachkraft in einer 1:1-Betreuung diese Beschulung möglich macht, dann muss diese Hilfe finanziert werden. Die Direktorin fühlt sich im Stich gelassen, das Unterstützungszentrum fühlt sich im Stich gelassen, Sonja und ihre Familie fühlen sich im Stich gelassen und die verantwortliche Bildungspolitik findet, dass sie alles tut, um Inklusion umzusetzen.

Liebe Sonja, du bist ein starkes Kind und ich sehe, wie sehr deine Eltern für dich kämpfen. Sie lieben dich über alles. Sie rufen da an, wo sie Hilfe vermuten. Ich wünsche mir, dass du dich zu einer zufriedenen, konfliktfähigen, resilienten und selbstbewussten erwachsenen Frau entwickelt,, die trotz belastender Lebensereignisse ein gelingendes Leben führen kann.

Anmerkung: Die Situation wurde überwiegend aus der Sicht der Eltern und ihren Erfahrungen beschrieben. Ob die Direktorin vielleicht auch in therapeutischer Behandlung ist, einfach nicht mehr kann, es Leid ist, ständig wütende Eltern anderer Kinder im Sekretariat zu haben, die schreien “Schaffen sie Sonja von der Schule” ist nicht bekannt, wäre aber möglich. Ob Sonjas Lehrerin sich an eine andere Schule versetzen lassen will, weil die Bedingungen so schlecht sind, sie unter Erschöpfung leidet und sich eigentlich mehr Unterstützung erwartet hätte, könnte ebenfalls sein. Auch über die Situation im Hort aus Sicht der Beteiligten ist nichts bekannt.

Zum Weiterlesen: bbz 07-08 / 2018 Verletzte Grundausstattung. Die angeblich verlässliche Grundausstattung für die zukünftige sonderpädagogische Förderung in den Berliner Schulen wird falsch berechnet. Die Umwandlung der tatsächlichen Förderquote in eine fiktive ist verantwortungslos und schadet den Schwächsten: https://www.gew-berlin.de/aktuelles/detailseite/neuigkeiten/verletzte-grundausstattung/

Schulhof ©inklusionsfakten

Auf dem Bild befindet sich ein gepunkteter Ball auf Asphalt. Man sieht die Schuhe eines Kindes, das im Tor steht.

2 Kommentare

  • Bei uns an den Schulen fehlt ganz klar die Unterstützung. Wir haben demnächst wieder eine Konferenz mit Schulhelfern und Lehrern, Erzieher…. das schlimmste ist die Koordination, die Hilfe sinnvoll einzusetzen. Wann sind die Schulhelfer überhaupt da. Am liebsten feste Bezugsstunden. Am liebsten Betreuung in bestimmten Fächern. Am liebsten in Stunden, wo nicht eh schon Doppelsteckung ist. Und dann sind die Schulhelfer auch für die Diabetes-Kinder zuständig. Das heißt, sie müssen zu bestimmten Zeiten an bestimmten Orten sein. Und in der 3. Klasse ist Schwimmunterricht. Wenn ein Schulhelfer da ein Kind betreuen muss, sind fast 4 Stunden der gesamten Betreungszeit weg. Wenn alles endlich organisiert ist, bekommen die Studenten einen neuen Seminarplan. Denn der ist ja zeitlich anders getaktet als die Schuljahre. Horror.

    Pädagogische Unterrichtshilfen (PU) wären super. Und zwar on Top. Jetzt kann man eine PU nur gegen eine Lehrerin eintauschen. Das wird aus der Not heraus häufig gemacht, da die PU Vollzeit in der Schule anwesend sein muss. Sparmaßnahme also. Wir bräuchten eine Krankenschwester in den Schulen. Diabetes, Epilepsie… häufen sich. Macht ein eigentlich fittes Kind mit Diabetes einen Ausflug, muss ein Schulhelfer mit. Das bedürftige I-Kind bleibt unbetreut in der Schule.

    Wünschen würde ich mir auch eine bessere Grundausstattung. Bei Krankheit fällt das wacklige Kartenhaus sofort zusammen. Geplante Doppelsteckungen, die als Differenzierung wichtig sind, oder in vielen Schulen auch sonpädagogische Stunden fallen dann weg. Ein Horror besonders für bedürftige Kinder.

    Wenn schulhelfer, dann fest eingestellte an den Schulen. Unsere werden auch manchmal plötzlich an eine andere Schule geschickt, weil da noch mehr Bedarf ist. Die schulhelfer können also häufig auch keine festen Beziehungen aufbauen.

  • Das ganze kommt mir sehr bekannt vor. Unser Kind ist in der Grundschule und hat Probleme mit der Impulskontrolle. Es gab einige Konflikte mit anderen Kindern, wobei eigentlich keiner klar sagen konnte, wer von den Kindern angefangen hat, teilweise war bei der Situation nicht mal jemand dabei. Wir hatten am Anfang sehr offen mit der Schule kommuniziert und hatten auf eine gute Zusammenarbeit gehofft und wollten auch unseren Beitrag dazu leisten. Noch dazu haben wir selber schon einiges eingeleitet und arbeiten mit unserem Sohn daran, sich in diesem Bereich zu verbessern.

    Seit die Leitung in der Nachmittagsbetreuung gewechselt hat, wollte man aber unseren Sohn loswerden, Man hat uns ganz klar gesagt, dass man keine Zeit hat jeden Tag 1/4 Stunde die Regeln mit ihm zu diskutieren. Uns wurde jetzt “nahe gelegt”, einer Verkürzung der Betreuungszeit zuzustimmen. Wir hatten aber nicht das Gefühl, dass uns richtig zugehört wurde oder der Situation überhaupt ein richtige Chance gegeben wurde bzw. wir da überhaupt eine Wahl haben. Unser Sohn dreht natürlich jetzt richtig auf und reagiert oft sehr pampig auf die Erzieher, weil er sich ausgeschlossen fühlt. Wir sind irgendwie total resigniert.

    Einziger Hoffnungsschimmer ist für uns, dass zumindest die Lehrerin mit ihm gut klar kommt. Dort versucht er zwar auch seine Grenzen auszutesten, aber die Lehrerin kann ihn gut führen und deswegen funktioniert es da auch besser.

    Insgesamt finde ich es trotzdem schade, wie hier mit Kindern umgegangen wird. Unser Sohn benötigt keine 1:1 Betreuung, aber ab und zu jemand, der ihn unterstützt Konflikte anders zu lösen. Es ist schade, dass für sowas überhaupt keine Zeit bleibt, dabei ist das doch elementar für alle beteiligten Kinder. Es kann doch nicht nur darum gehen unsere Kinder ruhig zu stellen, sondern aus ihnen sollen lebensfrohe, selbstbewusste und respektvolle Erwachsene werden. Warum gibt es keine Ausbildung der Erzieher, wie sie mit solchen Fällen umgehen und wie sie Kinder anleiten können kleinere Konflikte selber friedlich zu lösen.

    In meinem Bekanntenkreis kenne ich einige ähnlich gelagerte Fälle. Gerade die Jungs haben Probleme, da sie Dinge oftmals körperlich austragen und auch mehr Möglichkeiten benötigen sich körperlich auszupowern. Daneben gibt es ja auch viele Kinder mit ADHS oder anderen Diagnosen. Die Arztpraxen sind hier leider sowas von voll, ich denke da werden viele sogenannten “Problemfälle” ans Gesundheitssystem ausgelagert. Würde man das Geld, dass dafür aufgewendet wird, vorher in ein Bildungssystem stecken, dass die Kinder auch bei ihrer emotionalen Entwicklung unterstützt, müsste man hier nicht am laufenden Band Außenseiter produzieren.