Das Thema Tod kann plötzlich und unerwartet auftauchen. Ist ein Kind mit einer schweren Erkrankung in der Klasse und/oder mit zunehmend sich verschlechterndem Gesundheitszustand, dann bekommen die Kinder meist schon früh mit, dass „völliges Gesundsein“ kaum zu erreichen ist. Gerade in „Inklusionsklassen“ mit Kindern mit chronischer, sich verschlimmernder Erkrankung/Behinderung, wissen die Kinder, dass sich die Entwicklung des Mitschülers/der Mitschüler auf andere Art verändern kann:
- Konnte Sebastian in der ersten Klassen noch laufen, so braucht er nun seinen Rollstuhl.
- Konnte Lena zur Einschulung noch selbständig atmen, so ist sie heute auf ein Beatmungsgerät angewiesen.
- Konnten wir mit Mehmet früher noch Schokoladenpudding essen, so kann er Nahrung jetzt nur über eine Sonde aufnehmen.
Wenn eine Mitschülerin/ein Mitschüler viel krank ist, Klinikaufenthalte immer wieder stattfinden und immer wieder die Sorge da ist, kommt er/sie wieder, dann berührt das oft die ganze Klasse. Sehr groß ist dann die Freude, wenn er/sie wieder da ist, das Abhusten gut gelingt oder ein neuer Lernschritt vollzogen wurde. Jeder noch so kleine Fortschritt wird gerade in Inklusionsklassen anerkennend gewürdigt. Die eine wird für ihr hervorragendes Referat gelobt, der andere dafür, dass er einen Bauklotz halten kann. Denn lernen Kinder nicht im Gleichschritt, sondern nach ihren individuellen Voraussetzungen, ermöglicht ihnen das eine ganz andere Herangehensweise an das eigene Lern- und Fortschrittsempfinden. Methoden und Prinzipen der inklusiven Didaktik (siehe hier) ermöglichen individuelles Lernen im eigenen Tempo. Und das Tempo sowie auch die Möglichkeiten sind ebenso unterschiedlich wie die Kinder unterschiedlich sind.
Viele Praxisbeispiele zeigen, dass die Anwesenheit eines Kindes mit so genannter “schwerer Mehrfachbehinderung” einen großen Gewinn für die Klassengemienschaft darstellen kann (siehe hier). Kinder gehen im Umgang mit nichtsprechenden und mehrfachbehinderten Klassenkammeraden oft sehr kreativ, vorurteilsfrei und empathisch vor. Ob schwer krank oder nicht – das Kind ist und bleibt Mitglied der Klassengemeinschaft. Wenn dann ein Kind stirbt, nimmt meist die ganze Klasse Anteil, zelebriert einen Abschied, geht zur Trauerfeier und gedenkt an das verstorbene Kind. Abschied zu nehmen und sich mit dem Verlust auseinander zu setzen, erfordert ein behutsames Vorgehen, denn auch hier hat jedes Kind sein eigenes Tempo. Manche brauchen viel Zeit, um sich überhaupt an das Thema heranzuwagen, andere stellen gleich ganz viele Fragen. Viele Kinder wollen vor allem auch sachlich informiert werden. Sie wollen über das Sterben an sich informiert werden:
- Was passiert mit dem Körper unter der Erde?
- Tut das Verbrandwerden weh?
- Wohin kommt jetzt Lenas Rollstuhl?
- Was heißt das überhaupt Tod zu sein?
Manchen Kindern ist das Thema Tod schon einmal begegnet, weil vielleicht ein Großelternteil verstorben ist – oder ein Haustier. Andere haben die Vergänglichkeit des Lebens in ihren unterschiedlichen Facetten beobachtet (Jahreszeiten, Eintagsfliegen, verdorrte Blumen usw.). Kinderbücher bieten eine gute Gelegenheit über das Thema Tod ins Gespräch zu kommen. Geschichten, die die Kinder nicht direkt betreffen, können ein guter Ansatzpunkt sein, um über Trauer und Verlust zu reden.
Auch eine Beschäftigung mit unterschiedlichen Vorstellungen vom Tod bzw. Leben nach dem Tod und mit kulturell unterschiedlichen Riten rund um das Abschied nehmen, bieten Raum für Fragen der Kinder und zeigen: auch hier sind die Menschen verschieden (zum Beispiel in dem Kinderbuch: „Die besten Beerdigungen der Welt“ von Ulf Nilsson). Es ist spannend zu sehen, dass mit dem Tod ganz unterschiedlich umgegangen wird. In Mexiko wird am Tag der Toten zum Beispiel so richtig gefeiert – mit Volksfest, Blumen auf den Straßen und bunten Farben – zu Ehren der Toten.
In einer Ausstellung für Erwachsene und Kinder zum Thema Tod haben die Kinder die Gelegenheit ein Leichenhemd anzuziehen oder sich in einen Sarg zu legen. Das mag manch Erwachsenen erschrecken, doch das Ausprobieren ermöglicht einen entspanneteren Umgang mit diesem nicht gerade unbefangenen Thema.
Kinder sollten dabei immer die Gelegenheit bekommen Gefühle und Fragen zu äußern. Gerade eine Abschiedsfeier, eine Begräbnis oder eine Andacht können viele Fragen aufwerfen – aber auch Gefühle. Der Raum für Trauer und der Raum sich zu erinnern, sollte innerhalb des Schulalltags geschaffen werden. In den Gesprächen kann auch der Gefühlswortschatz der Kinder erweitert werden. Das Thema Tod ruft nicht nur das Gefühl der Trauer hervor. Gefühle wie Wut, Ohnmacht, Frust, Enttäuschung oder Freude, weil dieses Kind sechs Schuljahre ein wertvolles und tolles Mitglied unser Klasse sein konnte, müssen Raum haben und artikuliert werden dürfen. Auch Humor kann eine Form der Herangehensweise oder des Verarbeitens sein. Hier gibt es kein richtig oder falsch.
Als Kind wollte ich während der Trauerfeier aufspringen und den Sarg öffnen. Ich wollte wissen, ob Oma da wirklich drin liegt. Mit 8 Jahren kamen meine Cousine und ich aus der Kapelle und mussten uns beide das Kichern verkneifen. Die ganze Anspannung und das Verhalten der Erwachsenen lösten auch Druck aus, der sich durch das Kichern ein Ventil nach draußen suchte.
Manche (ältere) Kinder nehmen den Schmerz der Erwachsenen sehr stark wahr, hinzu kommt vielleicht die eigene Trauer und Verwirrtheit. Der Anblick eines Sarges, vielleicht zum ersten Mal, kann auch überfordern. Kinderbücher können helfen über das Erlebte zu sprechen oder sich auch schon im Alltag, bevor ein Verlust eintritt, mit dem Thema zu beschäftigen. Die Protagonisten in den Büchern stellen manchmal genau die Fragen, die auch die Kinder haben und es wird deutlich, dass es keine einfache und vor allem keine einzige Antwort gibt. Personen, die eine gute Bindung zu den Kindern haben und auch in der Lage sind über eigene Gefühle zu sprechen, können bei einer Bilderbuchbetrachtung oder beim Vorlesen auf eine entspannte und gemütliche Atmosphäre achten. Dabei muss es nicht todernst zu gehen. Neben Ernsthaftigkeit kann auch Humor zum Thema Tod gehören. Letztendlich hat jede/r seine/ihre eigene Art mit dem Thema Tod umzugehen und ihn vielleicht auch als etwas Unausweichliches akzeptieren zu lernen.
Folgende Kinderbücher bieten Möglichkeiten miteinander ins Gespräch zu kommen:
Abschied von Rune: Bilderbuch von von Marit Kaldhol (1987)
Amazon: „Abschied nehmen von Rune muss Sara, Runes beste Freundin, denn Rune ist beim gemeinsamen Spiel am Wasser ertrunken. Ein solch einschneidendes, schmerzhaftes Erlebnis ist hier für Kinder von 5 – 6 Jahren an mit aller Deutlichkeit und dabei doch auch mit aller Behutsamkeit dargestellt. Ausgezeichnet als “Buch des Monats” von der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendliteratur. Auf der Ehrenliste des Premio di Letteratura Giovanile, Padua“ (Link zu amazon).
empfohlenes Alter: 5 – 6 Jahre
Servus Opa sagte ich leise von Elfie Donnelly (1977)
Wikipedia: „Die Geschichte handelt von einem kleinen Jungen, Michael Nidetzky, und dem Krebstod seines Großvaters. Der sterbende Opa bricht vorherrschende Tabus um Krebs und den Tod auf und ermöglicht seinem Enkel so einen Abschied, bei dem Trauer nicht im Vordergrund steht“ (Wikipedia)
empfohlenes Alter: 7 – 11 Jahre
Adieu, Herr Muffin von Ulf Nilsson und Anna-Clara Tidholm (2002)
Amazon: „An einem Mittwochmorgen kann Herr Muffin nicht mehr aufstehen. Es tut so weh im Bauch und in den Beinen. Eine Tierärztin kommt und drückt und klopft auf seinen Bauch, dass er schreien muss. Danach schüttelt die Tierärztin den Kopf. Ein Bilderbuch über ein Meerschweinchen namens Herr Muffin. Ein Bilderbuch über das Altwerden und Sterben. Ein Bilderbuch über den Umgang mit dem Traurigsein. Ausgezeichnet als bestes schwedisches Kinderbuch des Jahres“ (Link zu amazon)
empfohlenes Alter: 5 – 7 Jahre
Ente, Tod und Tulpe von Wolf Erlbruch (2007)
Amazon: „Irgendwann stellt jedes Kind die Frage nach dem Tod. Ganz unbefangen. Alle Eltern wissen das und haben selten eine unbefangene Antwort parat. In Wolf Erlbruchs Ente, Tod und Tulpe ist der Tod ein leichtfüßiger Begleiter, schon immer da, man merkt s nur nicht: Schon länger hatte die Ente so ein Gefühl. »Wer bist du und was schleichst du hinter mir her?« »Schön, dass du mich endlich bemerkst«, sagte der Tod. »Ich bin der Tod.« Die Ente erschrak. Das konnte man ihr nicht übel nehmen. »Und jetzt kommst du mich holen?« »Ich bin schon in deiner Nähe, so lange du lebst nur für den Fall.« »Für den Fall?« fragte die Ente. »Na, falls dir etwas zustößt. Ein schlimmer Schnupfen, ein Unfall, man weiß nie.« … Man weiß nie aber man weiß, dass in Wolf Erlbruchs poetischen Bildern und Geschichten die großen Fragen einfache Antworten finden: für Kleine und Große (Link zu amazon)
empfohlenes Alter: 4 – 6 Jahre
Abschied von Opa Elefant – Eine Bilderbuchgeschichte über den Tod von Isabel Abedi
Bücher.de: „Wohin geht Opa Elefant? Die Kinder haben viele Fragen Opa Elefant verabschiedet sich bei seinen Enkelkindern. Er erklärt ihnen, dass er sterben und nicht zurückkommen wird. Die Elefantenkinder überlegen, was wohl passiert, wenn man gestorben ist. Geht man auf den Wolken spazieren und macht mit den Engeln Musik? Oder kommt man als Schmetterling zurück? Aber eines wissen die Kinder ganz genau: In ihren Träumen und Gedanken wird ihr Opa immer bei ihnen sein. Eine einfühlsame Bilderbuchgeschichte, die Eltern hilft, mit ihren Kindern über Tod und Verlust zu sprechen. Mit besonders stimmungsvollen und malerischen Bildern“ (Link zu bücher.de).
empfohlenes Alter: ab 3 Jahren
Ich will etwas vom Tod wissen von Antoinette Becker und Elisabeth Niggemeyer ( 1979 )
Amazon: „Diese Reihe von Fotobilderbüchern will Kindern helfen, sich selbst, andere Menschen und Dinge ihrer Umgebung besser zu verstehen. Kindern und Eltern begegnet in diesem Buch der Tod als ein Teil der Welt, in der sie leben. Das Vergehen in der Natur, das Verenden von Tieren und der Tod von Menschen werden von den Kindern verschieden erfahren“ (Link zu amazon).
Passagen aus dem Nachwort:
„Kindern und Eltern begegnet in diesem Buch der Tod als ein Teil der Welt, in der sie leben. Das Vergehen in der Natur, das Verenden von Tieren und der Tod von Menschen werden von den Kindern verschie¬den erfahren… Die Erwachsenen wollen oft den Tod verleugnen oder verdrängen. Sie entziehen sich auch der notwendigen Trauerarbeit….Kinder werden je nach Alter und Eigenschaften die eine Geschichten aufnehmen und hinter den Sinn der anderen erst später kommen. ….So notwendig das Verstehen des Todes ist, so viel¬fältig sind die Wege, auf denen Kinder dieses Verstehen annehmen. Diese Vielfalt möglicher Erfahrun-gen will dieses Buch den Kindern anbieten. Angst und Trost, Einmaligkeit und Ewigkeit, Trauer und Hoffen, Ver¬zweiflung und Liebe stehen neben¬einander. Kinder lernen verstehen, daß es kein Leben ohne die Realität des Todes geben kann.”
empfohlenes Alter: ab 5 Jahren
Elfa und die Kiste der Erinnerungen von Michelle Belle
roftasns.de: „Elfa ist sauer. Überallhin trägt sie eine große Kiste mit all ihren wichtigen Erinnerungsstücken aus ihrem bisherigen Leben, und niemand fragt sie danach. Als der liebe Affe sich mit ihr hinsetzt, holt sie die Erinnerungen eine nach der anderen heraus und stellt dabei fest, dass darin teilweise Lücken entstanden sind. Darüber ist Elfa sehr traurig. Zusammen mit dem Affen besucht sie Stationen ihrer Kindheit und hört Geschichten über sich als Baby, als Kindergartenkind und über ihre Kinderkrankheiten. Sie besuchen frühere Pflegeeltern, eine Lehrerin und erfahren viel über Elfas Kindheit. Manches davon ist schmerzlich, vieles davon ist schön; alles davon ist ihr wichtig. Elfa bedankt sich beim Affen für die Hilfe dabei, v.a. ihre guten Erinnerungen wach zu halten.
Zielgruppen:
• Kinder, die signifikante Lebensveränderungen erlebt haben (z.B. Verlust eines Elternteils, Inobhutnahme, v.a. mit mehreren Pflegefamilien, Umzüge usw)
• Alle Kinder, die gerne etwas über ihre frühe Biographie wissen möchten
• Eltern, LehrerInnen, BetreuerInnen und TherapeutInnen“
(Link zu roftasns.de)
empfohlenes Alter: ca. ab Schulalter (ca. 4-10 Jahre)
Wo steckt Pias Panda? von David Pitcher
roftasns.de: „Pias Teddy ist weg! Immer verzweifelter sucht sie ihn überall und erinnert sich dabei an die vielen Situationen und (Familien-)Wechsel, in denen der Teddy die einzige “zuverlässige” Stütze war und dem Kind Trost und Sicherheit geschenkt haben. Ob sie ihn wohl je wiederfindet?
Die Wichtigkeit von Permanenzobjekten für Kinder, die wesentliche Lebensveränderungen im Leben mitgemacht haben sollte nicht unterschätzt werden als Stütze in der Verarbeitung dieser Erlebnisse. Die Anleitung hilft dem vorlesenden Erwachsenen, diesen Prozess zu begleiten.
Zielgruppen:
• Kinder, die große Verluste oder Veränderungen der Lebensumstände mitgemacht haben, ob Inobhutnahme, Adoption, Migration oder auch Tod eines Elternteils oder Scheidung der Eltern, Umzug, Wechsel von Kindergarten oder Tagesmutter u.a.m.
• Kinder und Erwachsene, die vielleicht jemanden kennen, der dies mitgemacht hat (Mitschüler, Verwandte, andere, z.B. leibliche Kinder in der Zielfamilie)
• Betreuer und Therapeuten dieser Kinder“
(Link zu roftasns.de)
empfohlenes Alter: ab Vorschulalter, (ca. 3-8 Jahre)
Anton ist tot von Ulrike Escher in Leichter Sprache
Lebenshilfe: “Oft fällt es uns schwer über den Tod zu sprechen oder Fragen zu stellen. Deshalb hat Ulrike Escher eine Geschichte geschrieben. Die Geschichte heißt: Anton ist tot.
Es geht darin um einen Jungen, der stirbt.
Seine ältere Schwester ist sehr traurig.
Sie hat viele Fragen zum Tod.
Zum Beispiel fragt sie sich, wo ihr Bruder nach dem Tod ist.
Oder was sie tun kann, wenn sie traurig ist.
Ulrike Escher sagt:
„Der Tod gehört für alle Menschen zum Leben.“
In der Geschichte erfährt man vieles über den Tod.
Zum Beispiel: wie eine Beerdigung ist.
Oder was man tun kann, wenn man traurig ist” (Link zur Lebenshilfe).
Hier kann man die Geschichte “Anton ist tot” ansehen.
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